Was ist Resilienz? Und was ganz und gar nicht?

Mich haut nichts um. Resilienz ist eine Eigenschaft oder Fähigkeit, die wir uns wünschen oder anstreben. Hier schaue ich mit einem tieferen Blick auf die seelische Widerstandskraft und entkräfte ihre vermeintliche Macht.

Datum:

05.07.2025

Von Sara Theile, Bindungsberaterin und Heilpraktikerin für Psychotherapie

Was ist Resilienz eigentlich genau, wie entsteht sie und warum lohnt sich ein kritischer Blick?

Das hier wird kein reiner Infoartikel. Ich möchte zum Nachdenken anregen und wie immer in die Tiefe schauen. So viel in der Persönlichkeitsentwicklung wird meiner Meinung nach zu oberflächlich betrachtet und wir ziehen blitzschnell unsere Schlüsse: „Ich bin nicht selbstbewusst genug… wie kann ich es werden? …Ah, Resilienz ist das, was mir fehlt – okay her damit, was muss ich tun?“

Es wird also spannend. Aber zunächst einmal das was allgemein bekannt ist:

  • Resilienz ist die psychische Widerstandskraft, also die Fähigkeit, mit Belastungen, Krisen oder Veränderungen gut umzugehen.

  • Sie bedeutet, sich nach Rückschlägen wieder zu stabilisieren und weiterzumachen, ohne daran zu zerbrechen.

  • Resiliente Menschen können Stress, Unsicherheit und emotionale Herausforderungen besser verarbeiten.

Resiliente Menschen können folgende Dinge (laut Definition):

  • Anpassungsfähigkeit: Flexibel reagieren, statt starr an Erwartungen festzuhalten.

  • Selbstwirksamkeit: Das Vertrauen, etwas aus eigener Kraft bewältigen zu können.

  • Akzeptanz: Dinge annehmen, die nicht veränderbar sind.

  • Lösungsorientierung: Den Blick auf das, was möglich ist, nicht auf das Problem.

  • Gefühlsregulation: Emotionen wahrnehmen und steuern können.

  • Beziehungsfähigkeit: Unterstützung annehmen und stabile soziale Bindungen pflegen.

  • Zukunftsorientierung: Hoffnung und Zuversicht, dass es wieder besser wird.


Klingt perfekt, oder?

Ganz so super müssen wir dann doch nicht sein, um resilient zu sein:

  • Resilienz ist kein angeborener Zustand, sondern kann entwickelt und gestärkt werden.

  • Sie entsteht vor allem durch gute Bindungen, Selbstannahme und reflektiertes Erleben.

  • Nicht immer stark zu sein bedeutet nicht, keine Resilienz zu haben – im Gegenteil: Verletzlichkeit anzuerkennen ist ein Teil davon.

Resilienz zeigt sich immer dann, wenn es uns nicht gut geht. Nämlich darin, wie wir damit umgehen. Lassen wir uns komplett entmutigen oder finden wir wieder heraus aus unserer Misere.

Leider beobachte ich in den letzten Jahren ein großes Streben nach Resilienz. Resilienz-Trainings für Kinder oder Erwachsenen schießen aus dem Boden und alle wollen ihre Balance finden.

Dass wir gleichzeitig verletzlich sein dürfen und schwach gerät dabei in den Hintergrund. Warum ist das so?

Wenn wir sehr leiden, wollen wir einfach nur weg davon. Wir wollen uns wieder gut fühlen. Leicht durchs Leben gehen.

Selbstwirksam sein ist wunderbar. Doch du erreichst Selbstwirksamkeit nicht durch Training. In meinem Buch „Wenn der Körper erzählt – Wie du deine Migräne selbstwirksam lindern und als Tor zu deiner inneren Welt erkennen kannst.“, erzähle ich wie Selbstwirksamkeit in Verbindung mit unserem Körper entsteht.

Das wovon du weg willst, wird in Resilienz-Trainings zu wenig betrachtet, finde ich. Wir sind so damit beschäftigt uns zu stärken mit allem möglichen positiven Gedanken, Übungen, Ressourcen und Methoden, dass wir gar nicht bemerken, wie anstrengend das sein kann.

Ein Beispiel aus meiner Praxis:

Meine Klientin, nennen wir sie Tamara, kam zu mir mit verschiedenen körperlichen Symptomen und ständiger innerer Unruhe und Anspannung. Sie schrieb mir, dass sie sich aus einer toxischen Beziehung befreit hat und sie diese Zeit noch nicht verarbeiten konnte. Im gleichen Atemzug beschrieb sie, dass sie ja wisse, sie müsse es annehmen und mehr Selbstliebe haben. Es wolle aber einfach nicht klappen.

Den Satz: „Ich weiß, es wäre besser, wenn ich es annehmen könnte“, begegnet mir übrigens super oft in meiner Arbeit.

Da steckt schon das Dilemma der Resilienz drin. Wir wollen gut klarkommen, wir wissen was wir können sollten: es annehmen, uns selbst lieben, dankbar sein, empathisch sein, selbstsicher und selbstbewusst. Wir sollen wissen, was wir wollen und für uns einstehen. Dann hätten wir unser Leben im Griff.

Müssen wir uns einen Resilienz-Stempel verdienen?

Uns wird suggeriert, dass wir es selbst in der Hand haben und wenn es uns nicht gut geht, stehen wir uns selbst im Weg. Nein, nein und nochmal nein!

Jetzt könnten wir sagen, wenn Tamara das noch nicht schafft mit der Selbstliebe, dann kann sie das stärken, wenn sie nur will. Das Internet ist voll von Techniken, die uns Liebe annehmen lassen und uns Transformation versprechen.

Das sehe ich ganz anders. Denn es gibt unbewusste Faktoren, die uns buchstäblich das Steuer aus der Hand nehmen. Es handelt sich um Schutzstrategien, die in der Kindheit entstehen. Vielleicht sind diese emotionalen Überlebensmechanismen ja auch schon Resilienz. Denn die Anpassungsfähigkeit von Kindern ist meisterlich.

Wie Resilienz entsteht

Resilienz entsteht in der Kindheit durch Bindung. Zeigen uns unsere nahen Bezugspersonen, dass wir in Sicherheit sind, entsteht ein Urvertrauen. Erfahren wir als Baby Geborgenheit, Fürsorge und Zuwendung, lernen wir: Die Welt ist ein sicherer Ort. Menschen sind vertrauenswürdig.

Resilienz bedeutet also nicht: Du musst dich alleine wieder aufrichten. Resilient ist ebenfalls, wenn du um Hilfe bitten kannst und weißt, mir wird geholfen.

Interessant finde ich in diesem Zusammenhang diese Aussage über Kinder (zitiert aus der Wikipedia)

„Resilienz als Eigenschaft wird bei Kindern oder Jugendlichen in der Regel als Reaktion auf schädliche Umgebungen verstanden.[5] So werden zum Beispiel Kinder als resilient bezeichnet, die in einem sozialen Umfeld aufwachsen, das durch Risikofaktoren, wie zum Beispiel Armut, Drogenkonsum oder Gewalt, gekennzeichnet ist, und als Erwachsene dennoch zu einer erfolgreichen Lebensführung in der Lage sind.[6]

Also sind wir nicht nur resilient, wenn wir die sichere Bindung erfahren haben.

Zurück zu Tamara: Ist es nicht resilient, dass sie es geschafft hat sich aus der toxischen Beziehung zu befreien?

Ist es nicht resilient, dass sie nicht aufgegeben hat und ihren Beruf ausübt?

Ist es nicht resilient, dass sie sich Hilfe sucht?

Ist es nicht resilient, dass sie ihren Zustand nicht annimmt?

Ich finde sie hat unglaubliches geleistet und ist immer noch da. Ohne Selbstliebe (scheinbar), aber mit dem Willen für sich loszugehen.

Denn ist es nicht viel mehr ein Akt der Selbstliebe sich um sich zu kümmern, auch in schweren Zeiten.

Was ist, wenn du Gewalt in der Kindheit erfahren hast?

Vielleicht stellst du dir jetzt eine Frage: Resilienz entsteht durch ein sicheres Zuhause, Bindung und Zugewandtheit. Aber warum werden dann die Kinder, die in Gewalt aufwachsen als resilient bezeichnet?

In der Definition sind diese Kinder ja nur resilient, wenn sie trotzdem als Erwachsene ihr Leben meistern. Und hier wird es mir zu oberflächlich. Denn:

Kinder sind sehr, sehr verletzlich und nur weil sie als Erwachsene scheinbar alles im Griff haben, also nicht gewalttätig, straffällig oder drogenabhängig geworden sind, werden sie als resilient bezeichnet.


Funktionieren heißt nicht gesund sein

Was, wenn diese vermeintliche Resilienz nur aus der Not entstanden ist? Und das ist sie, wenn Kinder emotional vernachlässigt oder gar missbraucht wurden. Aus meiner Erfahrung als Heilpraktikerin für Psychotherapie ist das dann keine Resilienz, sondern ein Schutzsystem, dass entstehen musste, um zu überleben.

Wir überleben bis heute. Das Problem: Was in der Kindheit ein Schutz war und unbedingt notwendig, ja resilient, ist heute der Grund für unser Leiden. Denn wir handeln und denken unbewusst immer noch in der damaligen Anpassung.

Dann sind wir emotional verletzt und nicht resilient.

Dann ist es wichtig, genau dahin zu schauen. Was hat mich verletzt? Welche Facetten von mir musste ich aufgeben?

Gegenüberstellung Resilienz allgemeine annahmen, Annahmen aus der Emotionsarbeit

Ist Resilienz gut oder schlecht?

Je nachdem, wie du es siehst. Bei allem Guten der Resilienz-Bewegung und dem Bewusstsein, was damit geschaffen wird, finde ich es wichtig, dass Resilienz-Training nicht die neue Selbstoptimierung wird.

Wenn es dir nicht gut geht und dein Körper schon mehrere Symptome entwickelt hat, dann brauchst du Mitgefühl statt Training und Emotionsarbeit statt Selbstliebe.

Denn wenn du immer resilient sein musst, dann werden die verletzten inneren Anteile in dir nicht aufgeben zu sagen: „Ich bin doch resilient. Ich habe mich angepasst und mich selbst verlassen, damit ich überlebe. Jetzt will ich endlich gesehen werden, denn das war und ist furchtbar anstrengend.“

Als ich Tamara fragte, wie anstrengend die letzten Jahre, in denen sie sich erfolgreich getrennt hat waren, sagte sie 12 (auf einer Scala von 1-10).

Schau auch du mit Mitgefühl auf dich selbst und erkenne, wie resilient du schon längst bist. Jetzt bist du an der Reihe zu fühle und da anzukommen, wo du es dir wünschst. Dafür musst du dich aber da abholen, wo du stehst und das ist meistens da, wo du ganz dringend weg willst.

Möchtest du hinschauen? Die körperorientierte Emotionsarbeit mit dem inneren Kind ist da optimal geeignet und ich unterstütze dich gerne.

Emotionsarbeit mit dem inneren Kind- was sind die ersten Schritte?

Wenn du spürst, dass dich dieser Ansatz anspricht, schau gern auf meiner Webseite vorbei. Ich habe zwei kostenlose PDFs für dich – eines zum Thema Migräne, wobei sich Migräne auch auf andere körperliche Symptome übertragen lässt. Denn wir schauen auf die emotionale Seite. Das andere PDF ist zum Thema  Angst. Du findest darin Fragen zur Selbstreflexion und Impulse, wie du beginnen kannst.


Dein Körper braucht kein Resilienz-Training, sondern Emotionsarbeit

Dieser Weg ist kein Hexenwerk. Du brauchst keine besondere Gabe. Du darfst deine Wahrnehmung wieder schulen. Für deinen Körper. Für deine Gefühle. Für deine innere Wahrheit.

Das machen wir zusammen im KörperGefühl Gruppenprogramm, meiner 12 Wochen Begleitung, die dir alles mitgibt, was du für deinen selbstwirksamen Heilungsweg brauchst.


Wir müssen nicht resilient sein. Wir dürfen uns da abholen, wo wir stehen. Nicht damit wir weiter leiden, sondern damit wir da rauskommen. Der Weg ist aber oft nicht der offensichtlichste. Gleichzeitig beschreitest du diesen Weg mit echtem Interesse an dir Selbst und allem was dich geprägt hat.

Leben statt Durchhalten
Deine Sara

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